Rezension: Bienert, Cocktails in Berlin (2024)

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Michael C. Bienert, Cocktails in Berlin. Geschichte – Bars – Rezepte, Berlin: BeBra Verlag 2024, Hardcover, 240 Seiten, 150 Abbildungen und Fotografien, ISBN 978-3-8148-0305-0, 28,– €

Der Historiker Michael C. Bienert hat die erste zusammenhängende Geschichte der Cocktailkultur in Deutschland geschrieben. Zugegeben, der Titel des Buches „Cocktails in Berlin“ verrät bereits, dass die Darstellung geographisch eingegrenzt ist. Hinzukommen andere Aspekte, die die Geltung des ersten Satzes einschränken und die uns noch zu beschäftigen haben. Aber zum einen kommt niemand mehr an diesem Buch vorbei, der sich mit der historischen Cocktailkultur in Berlin und Deutschland – ja, in Europa – beschäftigen möchte. Zum anderen bietet Bienert mehr als ‚nur‘ Geschichte.

Michael C. Bienert, Dr. phil., geb. 1978, ist Geschäftsführer der Stiftung Ernst-Reuter-Archiv. Er lehrt Neuere Geschichte an der Universität Rostock und an der TU Berlin.

Das Buch zerfällt, wie der Untertitel bereits verrät, in drei recht unterschiedliche Teile, die ich im Folgenden vorstellen möchte: Geschichte, Bars und Rezepte.

Geschichte

Der erste Teil des Buches bietet in kleinen, handlichen Kapiteln die Geschichte der Cocktail- und Barkultur in Berlin. Es handelt sich bei „Cocktails in Berlin“ zwar um eine wissenschaftlich fundierte, aber letztendlich populäre Darstellung im besten Sinn, die sich unheimlich angenehm und unterhaltsam lesen lässt. Fußnoten und detaillierte Quellenbelege vermissen hier nur Nerds wie ich. Zum Ausgleich wurde nicht mit historischen Abbildungen gegeizt.

Viel zu lesen und viel zu gucken, hier bspw. die Bar im Adlon neben dem Verweis auf den berühmten Zeitungsartikel von 1806 über „a stimulating liquor, composed of spirits of any kind, sugar, water and bitters“. Abb.: BeBra Verlag.

Die Ursprünge und früheste Entwicklung der Cocktailkultur in den USA fasst Bienert in zwei kurzen Überblickskapiteln zusammen, wobei zu bemerken ist, dass dieser Teil der Erzählung, mit dem fast jedes Cocktailbuch beginnt, selten so gelungen und pointiert zu finden war. Schnell wird deutlich, dass er die Arbeiten in seinem Literaturverzeichnis gründlich ausgewertet hat.

Unversehens finden wir uns im boomenden Berlin des 19. Jahrhunderts wieder, das auf wenigen Buchseiten zu seinem treibenden Leben als junge Großstadt erwacht. Hiermit nimmt Bienert den roten Faden auf, den er durch den gesamten Geschichtsteil des Buches nicht mehr loslässt: Stets sind Orte, Personen und Drinks in den Kontext der historischen Entwicklung eingebettet. Es ist beeindruckend, mit welcher Leichtigkeit und Souveränität Bienert durch die bewegten Geschicke Berlins und Deutschlands bis zum Ende des zweiten Weltkriegs führt. Auch Geschichtslaien müssen nicht befürchten abgehängt oder sich in den Schulunterricht zurückversetzt zu fühlen.

Wir erfahren von der ersten American Bar Berlins, die G. Arnoldi wohl 1870 Unter den Linden eröffnete. Dass die Bar tatsächlich bestand, scheint für Bienert (anders als in meinen Ausführungen) gesichert zu sein. Bald danach etablierte sich im ausgehenden 19. Jahrhundert die American Bar als fester Typus in der Berliner Gastronomielandschaft, gerade auch (aber nicht nur) im Zusammenhang mit den großen Hotelbetrieben wie dem Adlon oder dem Central-Hotel. Ein internationales Publikum brachte den Durst und das nötige Kleingeld mit.

Der Adlon Spezial wurde in den 1920ern vom Chefbartender Franz Sichel kreiert. Entweder habe ich etwas falsch gemacht oder ich wundere mich, dass es das Adlon heute noch gibt bei so einem Hausdrink …

Cocktails waren von je her ein teures Vergnügen, das einer entsprechend zahlungskräftigen Klientel vorbehalten war. Vor diesem Hintergrund entstanden „Bodegas“, die neben Weinen aus Spanien und Portugal auch Cocktails zu etwas gemäßigteren Preisen anboten. Vor allem im Bereich Friedrichstraße entstand ein erstes Ballungsgebiet mit Bars, zu dem ab ca. 1900 ein weiteres um den Nollendorfplatz herum mit der Motzstraße entstand. Bienert rechnet anhand der dokumentierten Lizenzen für den Ausschank von Spirituosen hoch, dass es zu dieser Zeit eine dreistellige Zahl an Bars in Berlin gegeben habe.

Gleichzeitig setzte bereits die Entwicklung ein, dass sich die Bars vom Vorbild der klassischen American Bar lösten und Live-Musik mit Tanz boten. Zudem galten sie als Hotspot für Paarungswillige jeglicher Façon. (Bis heute hat das Wort „Bar“ vor allem bei Älteren eine anrüchige Konnotation.) So boten manche der Bars sichere Häufen für Menschen aus dem heute so genannten LGBTQ-Spektrum. Dessen ungeachtet rief das nächtliche Treiben der Feiernden mitunter Protest hervor.

„Manche der Lokale waren nicht nur für ihren Gin Rickey und den Ohio Cocktail bekannt, sondern genossen den Ruf, Anlaufstationen für das flüchtige Abenteuer zu sein — sofern Mann über das nötige Kleingeld verfügte.“

Unter der Überschrift „Gedrucktes über Drinks“ bietet Bienert einen schönen Überblick über die wichtigsten deutschsprachigen Veröffentlichungen zu Cocktails im betrachteten Zeitraum. Darunter findet sich auch Harry Johnsons Buch, das 1900 in Berlin verlegt wurde und damit dem deutschen Publikum gut zugänglich war. (Johnsons Berliner Zeit wird zudem in einem eigenen Kapitel gewürdigt.) Natürlich darf hier zwischen den Büchern von Hegenbarth (1899), Appelhans (1901) und Seutter (1909) auch Blüher mit seinem „Meisterwerk der Speisen und Getränke nicht fehlen. (Nicht berücksichtigt wird die literarische Präsenz von Cocktails in Deutschland ab Mitte des 19. Jahrhunderts, die bedingt durch massive Auswanderungsbewegungen in der so genannten Amerikaliteratur immer wieder mit Bewunderung oder Ablehnung beschrieben wurden; dazu demnächst mehr in diesem Blog.)

Eine Zäsur stellte der Ausbruch des ersten Weltkriegs im Sommer 1914 dar, als Zutaten zunehmend schwerer zu beschaffen waren. Spätestens ab dem Eintritt der Amerikaner in den Krieg 1917 nahm auch der zivile Reiseverkehr nach Berlin rapide ab. Unter den Folgeerscheinungen hatte die Berliner Barlandschaft nachhaltig zu leiden, so dass die „Goldenen Zwanziger“ in Sachen Cocktails zunächst zögernd in Fahrt kamen. Nichtsdestotrotz erlebten Berliner Bars in der Zwischenkriegszeit ihre Blütezeit. Viele Lokale wurden durch ihre Eleganz und Vielfalt bekannt, so etwa die Eden-Bar und die Kakadu-Bar. Eindrucksvoll stellt Bienert heraus, dass Frauen in den unterschiedlichsten Funktionen zur Atmosphäre und zum wirtschaftlichen Erfolg der Lokale beitrugen. Während die Bars selbst recht gut dokumentiert sind, sind die Bartender und andere Akteure auch in Berlin relativ schwer zu greifen. Nichtsdestotrotz gelingt es Bienert, einigen von ihnen eine Bühne zu geben.

„Für das Berlin der Zwischenkriegszeit können wir beobachten, dass viele Bartender häufig die Lokale wechselten, um dann mit wachsenden Kenntnissen auf besseren Positionen zu arbeiten oder aber irgendwann selbst eine Bar aufzumachen. Dieser Weg ist auch heute keineswegs ungewöhnlich.“

Mit der Machtergreifung 1933 gingen die Nazis zwar nicht grundsätzlich gegen Bars vor, jedoch gegen jüdische Betreiber und Musiker. Cocktails wurden also nicht mit den ersten Hakenkreuzfahnen von den Berliner Tresen gewischt. Gerade zur Olympiade 1936 in Berlin gaben sich die neuen Machthaber für ein kurzes Intermezzo in der braunen Eintönigkeit weltoffen. Mit den Athleten aus aller Welt kamen neue Cocktails wie der Olympiade Cocktail sowie eine durstige Kundschaft in die euphorisierte Stadt. Die folgenden Jahre brachten im Zuge der rassistischen und antisemitischen Kleingeistigkeit ein weitgehendes Sterben der Bars. Jedoch gab es auch Ausnahmen wie die Greifi-Bar, die den Krieg überdauerten. (Ob hier der Zufall oder die kalkulierte Kollaboration halfen, muss offenbleiben.)

Den Olympiade Cocktail hatte die US-Equipe 1936 zur Olympiade nach Berlin mitgebracht, erfunden von einem Bartender Murphey aus dem New York Athletic Club am Central Park. Überliefert ist das Rezept nur aus deutschen Zeitungen, wo es vermutlich wegen eines Übersetzungsfehlers (oder wegen der schlechten Verfügbarkeit von Limetten) mit Zitronensaft wiedergegeben wurde. So oder so schmeckt der Drink, als hätten ein Daiquiri und ein Sidecar einen Dreier mit einer Himbeere gehabt.

Bars

Der zweite Teil des Buches besteht aus 15 Vorstellungen aktueller Bars in Berlin, denen jeweils zwei Doppelseiten mit Fotos und Text gewidmet sind. Wir erfahren Details zu Entstehung, Ausstattung, Konzeption sowie Besonderheiten und lernen auch die Menschen hinter dem Tresen in aller Kürze kennen. Die Auswahl orientiert sich an den persönlichen Vorlieben des Autors, was erfreulicherweise dazu führt, dass selbst für Berliner Cocktail-Afficionados unbekannte Schätze gehoben werden können, die nicht in jeder Bestenliste herauf- und heruntergelobt werden.

Nachdem uns der Geschichtsteil nach dem Ende des zweiten Weltkriegs abrupt verlässt, wirken die Präsentationen der zeitgenössischen Bars im Kontext des Buches etwas disparat. Die ältesten Vertreter, Green Door Bar und X-Bar, bestehen seit 1995, wodurch immerhin noch eine Lücke von 50 Jahren in der Erzählung klafft. Vielleicht muss man die Zusammenstellung als eine Art subjektive Bestandsaufnahme des Jahres 2024 sehen, in der vor allem Berliner Barflies künftig gerne nostalgisch blättern werden. Obwohl Bienert „kein Touristenführer“ sein will, bietet dieser Teil für uns in Restdeutschland letztlich doch ein (gelungener) Barführer, der ahnen lässt, dass der nächste Besuch in der Hauptstadt eine besondere Belastungsprobe für Leber und Geldbeutel wird. Die übrigen 13 Bars sind in alphabetischer Reihenfolge: Bar Zentral, Blacklist Bar, Buck and Breck, ČSA Bar, Fabelei, Galander Charlottenburg, The Gin Room, Hildegard Bar, Lang Bar, Stairs Bar, Velvet Bar, Victoria Bar[1] und Windhorst.

Der Ohio Cocktail wurde nach eigenen Aussagen vom IBU-Chef und -Gründer Albert T. Neirath 1902 in New York erfunden und erfreute sich größter Beliebtheit im Deutschland der Zwischenkriegszeit. Ideal, wenn man einen Champagner-Cocktail, aber trotzdem etwas Kantiges haben möchte.

Rezepte

Die Sammlung der 50 Cocktailrezepte im dritten Teil des Buches schlägt den Bogen zurück zur Geschichte im ersten Teil. Jedem Drink ist eine ganze Seite gewidmet, die häufig von einem stets sehr ansprechenden Foto auf der gegenüberliegenden Seite begleitet wird. Neben den Zutaten und Zubereitungshinweisen stellt uns Bienert mit einer bemerkenswerten Leichtigkeit Geschichtliches zu den Cocktails vor. Das beinhaltet einerseits die oftmals nebulöse Entstehung der Drinks und andererseits – häufig viel spannender – ihre Wirkungsgeschichte: Was kam besonders gut an bei den Berlinern und welches Eigenleben entwickelten Drinks wie Sidecar, Bijou und Corpse Reviver 2 an der Spree? Zudem kann man sich hier und da den Spaß machen, Klassiker in abgewandelten Rezepturen deutscher Bartender aus der Zwischenkriegszeit nachzubauen. Man hat das Gefühl, Berliner Cocktailluft zu atmen, wenn ansonsten vergessene Bartender mit ihren eigenen (und manchmal eigensinnigen) Kreationen auftreten, so bspw. mit dem Ohio Cocktail von Albert T. Neirath (1902), dem Weißen Löwen eines gewissen Jonny (1928/29) oder dem Eden Spezial 2 von Heinrich „Heini“ Schmidt (1930er).

Weißer Löwe heißt dieser Cocktail, den ein gewisser Jonny in Berlin anlässlich des Jahreswechsels 1928/29 kreiert hat. Die Nähe zur Gin-basierten White Lady (die sich hier mit dem schottischen Wappentier in Form eines Anteils Blended Scotch eingelassen hat) könnte dafür sprechen, dass es tatsächlich Harry Craddock war, der sie in den 1920ern entwickelt hat, und nicht Harry MacElhone im Jahr 1929.

Das Adlon war zwar nicht das Hoffman House, dennoch vermittelt Bienert einen lebendigen Eindruck vom Cocktail-Geschmack der Zeit. Dieser wirkt mitunter sperrig, kann aber durchaus überraschen und begeistern. Dabei ist nicht nur den deutschen Vorlieben Rechnung zu tragen, sondern auch dem Warenangebot: So ersetzte man Limetten häufig durch wesentlich besser verfügbare Zitronen. Unterm Strich war jedoch auch Berlin vor 1945 näher am Geist der Cocktail-Renaissance als beschirmte Saftpanschereien der 1980er Jahre.

„Immer wieder stößt man in den historischen Quellen auf den Hinweis, dass die Berliner Bartender der Zwischenkriegszeit ein Faible für den Gebrauch frischer Früchte in den Cocktails hatten. Damit standen sie in der Tradition ihrer Berufskollegen aus dem späten 19. Jahrhundert.“

Michael C. Bienert ist kein Bartender, scheint seine Hausaufgaben aber gut genug gemacht zu haben, um sich souverän zu Rezepturen und Techniken äußern zu können. Die Reihenfolge der Rezepte hat sich mir nicht ganz erschlossen und vermutlich hätte ich es begrüßt, die Rezepte mit der geschichtlichen Darstellung zu verweben, um sie noch besser zu kontextualisieren. Zum einen dürfte das jedoch große Ungleichgewichte zwischen den verschiedenen Zeitabschnitten erzeugt haben. Zum anderen ist es so besser möglich, Bienerts Buch auch als klassisches Cocktailbuch zu nutzen, in dem man durch die Rezepte blättert und sich zum Ausprobieren anregen lässt. Der Deutsche Kochbuchpreis 2024 in Silber des Kochbuchportals kaisergranat.com scheint das jedenfalls zu bestätigen.

Fazit und Ausblick

Aus Perspektive dieses Blogs ist vor allem die historische Dimension des Buches reizvoll und von unschätzbarem Wert. Während ein Archivar Quellen und Artefakte sammelt, sie katalogisiert und kategorisiert – gestaltet ein Historiker ein Narrativ über Geschehenes sowie dessen Ursachen und Wirkungen. Michael C. Bienert ist genau das gelungen: Er erzählt die Cocktailkultur in Berlin als Teil der Geschichte.

Der Eden Spezial 2 wurde 1937 von Heinrich „Heini“ Schmidt für die Bar im Eden-Hotel erfunden. Der Sekt in diesem knackigen Shortdrink fungiert hier nicht als Filler.

Die Darstellung ist in dieser Form ohne Vorgänger und dürfte den neuen Goldstandard für Mixographen und Cocktailhistoriker bilden. Lediglich die Arbeiten des tschechischen Bartenders und Historikers Tomáš Mozr, der das Phänomen American Bar in der Zwischenkriegszeit anhand von Vergleichen der Städte London, Berlin und Prag untersucht hat, enthalten bereits vieles, was Eingang in Bienerts Buch gefunden hat.[2] (Hier hätte auch gerne der Stadtplan mit Lage der Bars als Vorbild dienen können.) Für Deutschland gab es ansonsten bis dato höchst summarische Kurzdarstellungen oder detailverliebte Fallstudien (wie in diesem Blog). Die Thesen über Prohibitionsflüchtlinge oder amerikanische Besatzersoldaten, die jeweils den Cocktail Deutschland gebracht haben sollen, wie immer wieder kolportiert wurde, hat Bienert in das Reich der Fabel verwiesen. (Natürlich bestätigen Ausnahmen die Regel.)

Dabei beschränken sich die Erkenntnisse, die „Cocktails in Berlin“ liefert, durchaus nicht auf die Stadt an der Spree, denn in ganz Deutschland und Europa verliefen viele der dargestellten Entwicklungen ähnlich. Als Kennzeichen einer Berliner Sonderrolle erweisen sich möglicherweise Besonderheiten wie etwa die Bodegas, die vielen amerikanischen Besucher, die starken Frauenfiguren oder die Konzentration von Intellektuellen und Künstlern in den Bars. Aber vieles galt deutschlandweit: Ihren Siegeszug trat die American Bar um die vorletzte Jahrhundertwende in allen Städten an; der erste Weltkrieg vergraulte die Amerikaner aus dem ganzen Land; Musik und Prostitution wurden von Hamburg über Köln bis München mit Bars assoziiert und die Ambivalenz der Nationalsozialisten im Umgang mit der amerikanischen Barkultur war ein gesamtdeutsches Problem (so bspw. im Fall der hier betrachteten Goldenen Bar in München). Vor diesem Hintergrund wird sich die Cocktail-Geschichtsschreibung in Deutschland auf absehbare Zeit und aus gutem Grund an „Cocktails in Berlin“ orientieren müssen. (Ich schlage dringend die Veröffentlichung einer englischen Fassung bei Cocktail Kingdom oder Ten Speed Press vor.)

Der Valencia Cocktail, mit dem Johnny Hensen von der Valencia-Bar in Essen 1927 den ersten europäischen Cocktailwettbewerb in der Reiß-Bar in Wien gewann, ist im Buch in seiner Ausprägung als I.B.U. Cocktail vorgestellt, der 1936 anlässlich der Olympischen Spiele in Berlin kreiert worden sein soll. Eine Mimosa mit ein bisschen mehr Tiefe.
Für Willy Lernhart gab es zwar nur eine Teilnehmer-Urkunde, aber dafür hatte er es nicht weit nach Hause. Gefunden bei Angelo Peer, American Bar. Das Klischee, die Realität, der Mythos, in: Michael Satke (Hg.), Mythos Bar, Wien: MS-Verlag 1992, 54.

Offen bleiben vor allem Fragen nach dem Vorher und dem Nachher: Auf welchen Wegen kamen die American Mixed Drinks in Berlin an? Spielte Großbritannien, das seit jeher enger mit der Kultur der ehemaligen Überseekolonie verbunden war, eine Vermittlerrolle? Wie weit waren Vorstellungen von und über Cocktails den auswanderungsfreudigen Deutschen schon vor G. Arnoldis American Bar geläufig? In die andere Richtung geblickt: Wie entwickelte sich die Berliner Cocktailkultur in der jungen Bundesrepublik? Welche Rolle spielte die Teilung der Stadt? Las der Osten begeistert „Wir mixen!“ aus dem VEB Fachverlag von 1959? Im Westen weisen die frühen bekannten Namen Franz Brandl und Charles Schumann (die eigentlich gar nicht so irrsinnig früh sind) an die Isar, nicht die Spree…

Michael C. Bienert versäumt nicht, selbst auf die Unvollständigkeit seines Buches hinzuweisen, und seine Andeutungen, für Nachschub sorgen zu wollen, versetzen mich in ungeduldige Vorfreude.

(Ergänzend sei das Interview mit Michael C. Bienert empfohlen, das Armin Zimmermann vom Bar-Vademecum für www.mixology.eu geführt hat: „Die Bar war keine Männerdomäne.“ – Michael C. Bienert über sein Buch „Cocktails in Berlin“)


Anmerkungen

[1] Die wunderbare „Schule der Trunkenheit“ von Kerstin Ehmer und Beate Hindermann aus der Victoria-Bar findet sich zwar im Literaturverzeichnis, hätte aufgrund seiner historiographischen Dimension aber auch gerne in der Barvorstellung erwähnt werden dürfen (Berlin: Verbrecher Verlag 2022).

[2] Tomáš Mozr, American Bar – fenomén evropských metropolí: Londýn, Berlín, Praha. Příspěvek k dějinám barové kultury v západní a střední Evropě v meziválečném období [American Bar – Phenomenon of European Cities: London, Berlin, Prague. Contribution to the History of Bar Culture in Western and Central Europe between the Two World Wars], Master Thesis, Karls-Universität Prag, Institut für Weltgeschichte 2015, bes. 65-94; vgl. auch Tomáš Mozr, The ‘exotic’ phenomenon of the American Bar in interwar Berlin and Prague: Re-reading the concept of place, in: AUC Geographica 54 (2019) 92–104, https://doi.org/10.14712/23361980.2019.9.

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