Inhaltsverzeichnis | Table of Contents
- Einführung | Introduction
- Frederick Marryat, Tagebuch in Amerika 1, 1845: Kap. 7 — Bemerkungen: Das Lynchrecht — Erziehung
- Frederick Marryat, Tagebuch in Amerika 2, 1845: Kap. 4 Reisen — Kap. 9 Die Gesellschaft – die Frauen
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Einführung
Frederick Marryat wurde 1792 als Sohn eines Tory-Mitglieds des britischen Unterhauses und einer deutschen Mutter in London geboren. Bereits im Alter von 14 Jahren begann er als Kadett seine illustre Marinekarriere. Er diente auf See im Britisch-Amerikanischen Krieg (1812-1814) und wurde nach dem Krieg gegen Napoleon Bonaparte 1815 zum Commander befördert. 1820 befehligte er das Schiff, dass Napoleons Leichnam aus dem Exil auf St. Helena im Südatlantik nach Europa überführte. Neben weiteren militärischen Missionen, die ihn nunmehr als Kapitän zur See u.a. nach Afrika führten, befehligte er nautische Erkundungsfahrten im Atlantik. Er entwickelte den Marryat-Flaggencode für die Handelsschifffahrt, den erst um die Jahrhundertwende das internationale Flaggenalphabet ablöste. Für seine Pläne für ein neuartiges Rettungsboot wurde er ausgezeichnet.
1830 kehrte er der Marine den Rücken, um sich ganz seiner produktiven und erfolgreichen Schriftstellerei zu widmen. Bereits sein autobiografischer Debutroman The Naval Officer war ein Erfolg. Seefahrt und Abenteuer prägten sein literarisches Schaffen, das in späten Jahren vorwiegend ein junges Publikum ansprach. 1837 bereiste er die Vereinigten Staaten sowie Kanada und veröffentlichte seine Eindrücke und Erfahrungen 1839 im hier zitierten Diary in America. Die Darstellung der amerikanischen Kultur und Gesellschaft aus der Sicht eines Mitglieds der Marinearistokratie der ehemaligen Kolonialherrin erregte viel (mitunter kritische) Aufmerksamkeit und wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt. Literarische Größen nach ihm, bspw. Mark Twain und Ernest Hemingway, zählten zu seinen erklärten Verehrern (ohne über letzteren einen Cocktail-Bezug erzwingen zu wollen). 1848 starb Marryat in England. Von seinen elf Kindern brachte es vor allem die Schauspielerin und Schriftstellerin Florence Marryat zu großer Bekanntheit im 19. Jahrhundert.
Die ersten Bände einer deutschen Übersetzung des Tagebuch in Amerika erschienen bereits im Jahr der Originalveröffentlichung. Der Hamburger Sprach- und Handelslehrer Georg Nicolaus Bärmann (1785–1850) konnte den fünften und letzten Band ein Jahr später im Braunschweiger Verlag Vieweg publizieren. Obwohl er als Übersetzer nicht unerfahren war, lässt sich der sperrige, etwas altertümelnde Stil seines Textes nicht nur auf die Hast der schnellen Produktion schieben. Er zeigt zu Beginn des Werks die Tendenz, Wiedergaben von Cocktails und anderen amerikanischen Mischgetränken zu übergehen. Da Marryat in seinem Werk einige Juleps und Gin Slings vernichtet und später – zu unserem Glück – ausführlich die Trinkgewohnheiten der Amerikaner vorstellt, konnte Bärmann die unbekannten Getränke irgendwann nicht mehr übergehen. Seine Lösung bestand darin, deutsche Wort-für-Wort-Übersetzungen zu erfinden, „z. B. den »Krausemünz-Julep« (Kühltrank) und dessen Abarten; »Schlingen« in allen deren Verschiedenheiten; »Hahnschwänze«“.[1]
Schon 1845 erschien eine neue deutsche Fassung des Tagebuch in Amerika im Rahmen einer 30-teiligen Marryat-Gesamtausgabe beim Stuttgarter Verleger Adolph Krabbe. Dem jungen Übersetzer Carl Kolb (1823–1889) gelang es deutlich besser, den eingängigen und amüsanten Stil Marryats für ein deutschsprachiges Publikum abzubilden. Zudem hatte er den Mut (und offensichtlich die Erlaubnis des Verlegers), englische Begriffe bei Bedarf unübersetzt zu übernehmen. So lesen wir hier von »Cocktails« und »Slings«. Aus dem Julep macht er hingegen eine „Juleppe“. (Das wirkt besonders skurril und irgendwie rheinisch, wenn ein Tippfehler das Wort „Jeluppe“ hervorbringt.) An anderer Stelle vermeidet er zwar die Namen von bestimmten Cocktails und der Barkeeper ist auch weiterhin ein „Schankwirth“ – dennoch sei hier seine Fassung wiedergegeben: Unterm Strich ist es dieser Text, der dem deutschsprachigen Publikum Marryats Erfahrungen mit und an der American Bar am authentischsten vermittelte. Kolb war auch verantwortlich für die 1841er Übersetzung von James Fenimore Coopers Der Spion, die hier bereits als Quelle für Betty Flanagans Cocktail zitiert worden war. (Ironischer Weise taucht an dieser Stelle der Bärmannsche „Hahnenschwanz“ wieder auf.)
Introduction
Frederick Marryat was born in London in 1792, the son of a Tory member of the British House of Commons and a German mother. He began his illustrious naval career as a cadet at the age of 14. He served at sea in the British-American War (1812-1814) and was promoted to Commander after the war against Napoleon Bonaparte in 1815. In 1820, he commanded the ship that transported Napoleon’s body from exile on St Helena in the South Atlantic to Europe. In addition to other military missions, which took him to Africa, now as a post-captain, among other places, he commanded nautical exploration voyages in the Atlantic. He developed the Marryat’s Code of Signals for merchant shipping, which was not replaced by the international flag alphabet until the turn of the century. He was honoured for his designs for a new type of lifeboat.
In 1830, he left the navy to devote himself entirely to his prolific and successful writing. His autobiographical debut novel The Naval Officer was already a success. Seafaring and adventure characterised his literary work, which in his later years appealed primarily to a young audience. In 1837, he travelled the United States and Canada and published his impressions and experiences in 1839 in the Diary in America cited here. The portrayal of American culture and society from the perspective of a member of the former colonial ruler’s naval aristocracy attracted a great deal of (sometimes critical) attention and was translated into numerous languages. Literary greats after him, such as Mark Twain and Ernest Hemingway, were among his declared admirers (without trying to impose a cocktail reference on the latter). Marryat died in England in 1848. Of his eleven children, it was above all the actress and writer Florence Marryat who achieved great fame in the 19th century.
The first volumes of a German translation of the Tagebuch in Amerika were published in the same year as the original. The Hamburg language and commerce teacher Georg Nicolaus Bärmann (1785-1850) was able to publish the fifth and final volume a year later with the Braunschweig publishing house Vieweg. Although he was not inexperienced as a translator, the unwieldy, somewhat antiquated style of his text cannot be attributed solely to the haste of rapid production. At the beginning of the work, he shows a tendency to skip over renditions of cocktails and other American mixed drinks. Since Marryat destroys a few juleps and gin slings in his work and later – fortunately for us – presents the drinking habits of Americans in detail, at some point Bärmann could no longer skip over the unfamiliar drinks. His solution was to invent German word-for-word translations, „e.g. the »Krausemünz-Julep« mint julep] (chilled drink) and its varieties; »Schlingen« [slings] in all their different forms; »Hahnschwänze« [cocktails]“.[1]
As early as 1845, a new German version of the diary was published in America as part of a 30-part Marryat complete edition by the Stuttgart publisher Adolph Krabbe. The young translator Carl Kolb (1823-1889) succeeded much better in reproducing Marryat’s catchy and amusing style for a German-speaking audience. He also had the courage (and apparently the publisher’s permission) to use English terms untranslated where necessary. So we read here about „cocktails“ and „slings“. However, he turns the julep into a feminine „die Juleppe“ while the masculine „der Julep“ as an English loanword is predominant in German. Elsewhere, he avoids the names of certain cocktails and the barkeeper is still a „Schankwirth“ – nevertheless, his version is reproduced here: On balance, it is this text that most authentically conveyed Marryat’s experiences with and at the American Bar to German-speaking audiences. Kolb was also responsible for the 1841 translation of James Fenimore Cooper’s The Spy, which has already been cited here as the source for Betty Flanagan’s cocktail. (Ironically, Bärmann’s „Hahnenschwanz“ reappears at this point).
[1] Frederick Marryat, Ein Tagebuch in Amerika. In drei Theilen, Bd. 4, Übers. G. N. Bärmann, Braunschweig: Vieweg 1840, https://mdz-nbn-resolving.de/details:bsb11419956 (14.04.2024), S. 68.
#q1845fm1
Frederick Marryat, Tagebuch in Amerika 1, 1845, Kap. 7
🇩🇪 Frederick Marryat, Kapitän Marryat’s sämmtliche Werke 21: Tagebuch in Amerika, mit Bemerkungen über die Institutionen der Vereinigten Staaten 1, Übers. C. Kolb, Stuttgart: Adolph Krabbe 1845, https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10747605 (08.04.2024).
🇬🇧 Frederick Marryat, Diary in America, Series One, 1839, https://www.gutenberg.org/ebooks/23137 (08.04.2024).
Kap. 7, S. 61 ff. | Series 1, Vol. 1, Ch. 8 |
Der vierte Juli – ein und sechszigster Jahrestag der amerikanischen Unabhängigkeit! | The 4th of July, the sixty-first anniversary of American independence! |
Paff – paff – paff – pang – paff – paff – pang – pang, pang! Gott im Himmel! Welch ein Glück, daß diese Jahrestage nur einmal im Jahre kommen. Nun, die Amerikaner haben auch allen Grund, auf diesen Tag und auf die Thaten ihrer Väter stolz zu seyn, aber warum betrinken sie sich dabei in so heilloser Weise? Warum machen sie sich an diesem Tage der Unabhängigkeit so abhängig von den Pfosten und Geländern, die ihnen zur Stütze dienen müssen? – Das Fest ist endlich vorüber und der Kopf schmerzt mich; aber ich denke, morgen früh wird es noch weit mehr Kopfweh geben. […] | Pop—pop—bang—pop—pop—bang—bang bang! Mercy on us! how fortunate it is that anniversaries come only once a year. Well, the Americans may have great reason to be proud of this day, and of the deeds of their forefathers, but why do they get so confoundedly drunk? why, on this day of independence, should they become so dependent upon posts and rails for support? The day is at last over; my head aches, but there will be many more aching heads tomorrow morning! |
|62| Inzwischen füllte sich die ganze Atmosphäre mit Unabhängigkeit. Auf den Schiffen, von den Fenstern oder in der Hand kleiner Knaben flatterte eine solche Menge amerikanischer Flaggen, daß man am hellen Mittage mehr Sterne sah, als man je in der schönsten Nacht zählen kann. Zu jeder Seite des Broadway, seiner ganzen Länge nach, waren Buden und Stände ausgestellt, wie auf einer englischen Messe, und allenthalben sah man kleine Teller mit Austern, vor denen je eine Gabel im Brette stack. Andere Schaalthiere schmorten in der heißen Sonne und soweit das Auge reichte, sah man nichts als gekochten Schinken, Pasteten, Puddinge, Gerstenzucker und viele andere unbeschreibliche Dinge. Broadway ist übrigens drei Meilen lang, und das Merkwürdigste, was sich dem Gesichte darbot, war der Umstand, daß in jeder Bude, als Mittelpunkt der Anziehung, ein gebratenes |63| Schwein, groß oder klein, ausgestellt war. Sechs Meilen gebratenes Schweinesteisch und dies dazu bloß in der Stadt New York! Wie schlimm wurde nicht unter der berüffelten Zunft gewüthet, wenn man noch alle übrigen Städte, Flecken und Dörfer der Union mit in Rechnung bringt. Welche Ideenverknüpfung kann wohl zwischen Schweinefleisch und Unabhängigkeit stattfinden? | In the mean while, the whole atmosphere was filled with independence. Such was the quantity of American flags which were hoisted on board of the vessels, hung out of windows, or carried about by little boys, that you saw more stars at noon-day than ever could be counted on the brightest night. On each side of the whole length of Broadway, were ranged booths and stands, similar to those at an English fair, and on which were displayed small plates of oysters, with a fork stuck in the board opposite to each plate; clams sweltering in the hot sun; pineapples, boiled hams, pies, puddings, barley-sugar, and many other indescribables. But what was most remarkable, Broadway being three miles long, and the booths lining each side of it, in every booth there was a roast pig, large or small, as the centre attraction. Six miles of roast pig! and that in New York city alone; and roast pig in every other city, town, hamlet, and village, in the Union. What association can there be between roast pig and independence? |
Man muß übrigens nicht glauben, daß es an diesem glücklichen Tage au dem so nöthigen Trunke fehlte. Nein, die Buden waren mit Porter, Ale, Cyder, Meth, Branntwein, Wein, Ingwerbier, Pop, Sodawasser, Whisky, Punsch, Ginsling, Cocktail, Münzenjuleppe und noch vielen anderen Gemischen belastet, zu deren Benennung nur die Ueppigkeit eines Angloamerikaners Worte zu erfinden vermochte. Zuverlässig waren die Erfrischungsvorbereitungen sehr eindrucksvoll und wohl im Stande, eine Idee von dem zu geben, wessen man von diesem glücklichen Tage zu gewärtigen hatte. Kriegerische Musik erscholl von Dutzend Richtungen zumal, und wenn man den Kopf wandte, so hörte man von der einen Seite die ersten Takte eines Marsches spielen, während von einer andern her die letzten der Yankee Doodle ertönten. | Let it not be supposed that there was any deficiency in the very necessary articles of potation on this auspicious day: no! the booths were loaded with porter, ale, cyder, mead, brandy, wine, ginger-beer, pop, soda-water, whiskey, rum, punch, gin slings, cocktails, mint julips, besides many other compounds, to name which nothing but the luxuriance of American-English could invent a word. Certainly the preparations in the refreshment way were most imposing, and gave you some idea of what had to be gone through on this auspicious day. Martial music sounded from a dozen quarters at once; and as you turned your head, you tacked to the first bars of a march from one band, the concluding bars of Yankee Doodle from another. |
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Frederick Marryat, Tagebuch in Amerika 1, 1845, Bemerkungen: Das Lynchrecht
🇩🇪 Frederick Marryat, Kapitän Marryat’s sämmtliche Werke 21: Tagebuch in Amerika, mit Bemerkungen über die Institutionen der Vereinigten Staaten 1, Übers. C. Kolb, Stuttgart: Adolph Krabbe 1845, https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10747605 (08.04.2024).
🇬🇧 Frederick Marryat, Diary in America, Series One, 1839, https://www.gutenberg.org/ebooks/23137 (08.04.2024).
Bemerkungen — Das Lynchrecht, S. 498 f. | Series 1, Vol. 3, Ch. 10 Remarks — Lynch Law |
Von Fällen, in welchen das Lynchlaw zur Unterstützung des gerichtlichen Urtheils in Anwendung gebracht wurde, kamen mir ein Paar zur Kenntniß. […] | One or two instances in which Lynch law was called in to assist justice on the bench, came to my knowledge. […] |
Ein anderes Beispiel ist ziemlich belustigend und wirft zugleich Licht über den eigenthümlichen Zustand der Gesellschaft im Westen. | Another instance occurred which is rather amusing, and, at the same time, throws some light upon the peculiar state of society in the west. |
Im Staate Louisiana (wenn ich mich anders recht entsinne) lebte ein Schenkwirth, der sehr beliebt war sey es wegen seiner geschickten Mischung der Münzjuleppe und des Cocktails oder aus anderen Gründen: ich weiß es nicht. Dieser Mann wurde, so sonderbar es auch einem Engländer vorkommen mag, zu einem Amte, ähnlich dem unseres Attorney General, gewählt, und machte sich |499| glaube ich, gar nicht übel darin, denn ein Amerikaner weiß sich in fast gar Alles zu schicken. […] Er nahm sodann seinen Clienten bei Seite und sagte zu ihm: »Diese Männer wollen Euch auf den Leib und werden Euch lynchen, wie sehr ich mich auch dagegen sträuben mag. […] Die Männer, welche Euch am Zeuge flicken wollen, sind halb betrunken und werden daher nicht so schnell laufen können, als Ihr. Ich will deshalb für Euch einen Vorsprung von hundert und fünfzig Schritten beantragen, und wenn Ihr Euch Mühe gebt, werdet Ihr wohl entkommen können.« | There was a bar-keeper at some tavern in the state of Louisiana (if I recollect right) who was a great favourite; whether from his judicious mixture of the proportions of mint juleps and gin cocktails, or from other causes, I do not know; but what may appear strange to the English, he was elected to an office in the law courts of the state, similar to our Attorney-General, and I believe was very successful, for an American can turn his hand or his head to almost anything. […] He took his client aside, and said to him, “These men will have you, and will Lynch you, in spite of all my efforts […]. These men who wish to get hold of you are half drunk, and they never can run as you can. Now, I’ll propose that you have one hundred and fifty yards law, and then if you exert yourself, you can easily escape.” |
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Frederick Marryat, Tagebuch in Amerika 1, 1845, Bemerkungen: Erziehung
🇩🇪 Frederick Marryat, Kapitän Marryat’s sämmtliche Werke 21: Tagebuch in Amerika, mit Bemerkungen über die Institutionen der Vereinigten Staaten 1, Übers. C. Kolb, Stuttgart: Adolph Krabbe 1845, https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10747605 (08.04.2024).
🇬🇧 Frederick Marryat, Diary in America, Series One, 1839, https://www.gutenberg.org/ebooks/23137 (08.04.2024).
Erziehung, S. 529 f. | Series 1, Vol. 3, Ch. 12 Remarks – Education |
Wenn ein Knabe nicht auf einem College ist, so spielt er mit fünfzehn oder sechzehn Jahren den Mann und tritt in’s Geschäftsleben ein, indem er als Commis zu einem Kaufmann oder Krämer geht. Um das Vaterhaus kümmert er sich nicht, wenn es ihm nicht gerade gelegen ist, da sein Gehalt für die meisten seiner Bedürfnisse zureicht. Er besucht die Wirthshäuser, läßt sich Cocktail bringen, kaut Tabak und spricht von Politik. Seine theoretische Erziehung, mag er nun viel oder wenig Nutzen daraus gezogen haben, muß jetzt einer praktischeren weichen, in welcher er es sehr schnell zur größten Vollkommenheit bringt. Ich nehme keinen Anstand, zu behaupten, daß die Amerikaner mehr praktische Kenntnisse besitzen, als irgend ein anderes Volk unter der Sonne. | At fifteen or sixteen, if not at college, the boy assumes the man; he enters into business, as a clerk to some merchant, or in some store. His father’s home is abandoned, except when it may suit his convenience, his salary being sufficient for most of his wants. He frequents the bar, calls for gin cocktails, chews tobacco, and talks politics. His theoretical education, whether he has profited much by it or not, is now superseded by a more practical one, in which he obtains a most rapid proficiency. I have no hesitation in asserting that there is more practical knowledge among the Americans than among any other people under the sun. |
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Frederick Marryat, Tagebuch in Amerika 2, 1845, Kap. 4 Reisen
🇩🇪 Frederick Marryat, Kapitän Marryat’s sämmtliche Werke 22: Tagebuch in Amerika, mit Bemerkungen über die Institutionen der Vereinigten Staaten 2, Übers. C. Kolb, Stuttgart: Adolph Krabbe 1845, https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10929241 (08.04.2024).
🇬🇧 Frederick Marryat, Diary in America, Series Two, 1839, https://www.gutenberg.org/ebooks/23138 (08.04.2024).
Kap. 4 Reisen, S. 71 ff. | Series 2, Vol. 1, Ch. 4 Travelling |
Ich muß übrigens jetzt den Gegenstand des Essens verlassen, um zu einem für Amerika viel wichtigeren überzugehen – nämlich zum Trinken. | But I must quit the subject of eating, for one of much more importance in America, which is that of drinking. |
Ich war früher stets der Ansicht, daß die Engländer und Schweizer die schärfsten Trinker seyen, mußte aber bei meiner Ankunft in den Vereinigten Staaten finden, daß uns wenigstens in diesem Punkte, wenn auch nicht in allen andern, wie sie so gerne glauben möchten, unsere Abkömmlinge bei weitem den Vorsprung abgewonnen haben. | I always did consider that the English and the Swiss were the two nations who most indulged in potations; but on my arrival in the United States, I found that our descendants, in this point most assuredly, as they fain would be thought to do in all others, surpassed us altogether. |
Wenn ich unparteiisch sprechen will, so muß ich einräumen, daß wir in dem vorliegenden Punkte die Flagge streichen müssen. Es sind übrigens gar viele Gründe dafur vorhanden – einmal die Hitze des Klima’s, ferner die Kälte des Klima’s und dann die Veränderlichkeit des Klima’s; fügen wir hiezu noch die Wohlfeilheit des Branntweins, die frühe Emancipation der Jugend von aller elterlicher Leitung, die Versuchungen, die aus dem Wirthshausgehen und den Kameradschaften entspringen, und zuletzt die Lieblichkeit und Verschiedenheit der Getränke. | Impartiality compels me to acknowledge the truth; we must, in this instance, submit to a national defeat. There are many causes for this: first, the heat of the climate, next the coldness of the climate, then the changeableness of the climate; add to these, the cheapness of liquor in general, the early disfranchisement of the youth from all parental control, the temptation arising from the bar and association, and, lastly, the pleasantness, amenity, and variety of the potations. |
Gründe gibt’s also so reichlich, wie Brombeere, und die Gewohnheit wird zur zweiten Natur. | Reasons, therefore, are as plentiful as blackberries, and habit becomes second nature. |
Um das ganze Register der einheimischen Gemische [„vom »Eiswasser« bis zur »steinernen Brustwehr« oder dem »Blitzlichtstrahl«“ (Übers. Bärmann 1840, 66 f.)] aufzuzählen, würde ich eines ganzen Bandes bedürfen, weshalb ich zuvörderst von dem eingeführten Getränke sprechen will. […] | To run up the whole catalogue of the indigenous compounds in America, from “iced water” to a “stone fence,” or “streak of lightning,” would fill a volume; I shall first speak of foreign importations. |
|77| Aber die Amerikaner beschränken sich nicht auf fremde Weine oder Branntweine, denn sie haben heimische Gemenge von allen Arten zum Beispiel die Minzjuleppe mit ihren Varietäten, die Slings, die Cocktoils [sic] – doch ich kann mich ihrer wahrhaftig nicht erinnern, oder wenn ich’s auch könnte, so würde mir’s doch zu viel Zeit wegnehmen, sie in Schlachtordnung aufziehen zu lassen. Lassen wir daher ein wenig Minzjuleppe ab, da sie bei einem Thermometerstand von hundert Graden Fahrenheit das lieblichste und einladendste Getränk ist, welches nur je erfunden wurde, obschon man es mit eben so viel Wohlbehagen auch bei einem Temperaturgrade von siebenzig trinken kann. | But the Americans do not confine themselves to foreign wines or liquors; they have every variety at home, in the shape of compounds, such as mint-julep and its varieties; slings in all their varieties; cocktails, but I really cannot remember, or if I could, it would occupy too much time to mention the whole battle array against one’s brains. I must, however, descant a little upon the mint-julep; as it is, with the thermometer at 100 degrees, one of the most delightful and insinuating potations that ever was invented, and may be drank with equal satisfaction when the thermometer is as low as 70 degrees. |
Es gibt viele Varietäten davon, indem Claret, Madeira u. s. w. dazu genommen werden kann; aber die eigentliche Minzjuleppe hat folgende Ingredienzien. [„Ich habe gelernt ihn zu bereiten, und verstehe mich jetzt sehr wohl darauf.“ (Übers. Bärmann 1840, S. 68)] Man wirft in ein Glas ungefähr ein Dutzend zarte Minzensprossen, schüttet einen Löffel voll weißen Zucker darauf und gießt ein Gemisch von gleichen Theilen Pfirsichsaft und gewöhnlichen Branntweins nach, bis das Glas zum dritten Theil, oder auch etwas weniger, voll ist. Dann wird das Glas mit geraspeltem oder zerstoßenem Eis aufgefüllt. Epikuräer reiben den Rand des Glases mit einem Stückchen frischer Ananas, während außen sehr oft Eisstalaktiten anschießen. Wenn das Eis schmilzt, so trinkt man. | There are many varieties, such as those composed of Claret, Madeira, etcetera; but the ingredients of the real mint-julep are as follows. I learnt how to make them, and succeeded pretty well. Put into a tumbler about a dozen sprigs of the tender shoots of mint, upon them put a spoonful of white sugar, and equal proportions of peach and common brandy, so as to fill it up one third, or perhaps a little less. Then take rasped or pounded ice, and fill up the tumbler. Epicures rub the lips of the tumbler with a piece of fresh pine-apple, and the tumbler itself is very often incrusted outside with stalactites of ice. As the ice melts, you drink. |
Ich hörte einmal in einem Zimmer, welches an das meinige stieß, zwei Damen sprechen, und eine davon sagte: »Wenn ich eine Schwäche für irgend etwas habe, so ist’s für die Minzjuleppe« – eine sehr liebenswürdige Schwäche, die ihren Verstand und ihren guten Geschmack bewies. In der That ist das Getränk, gleich den amerikanischen Damen, unwiderstehlich. | I once overheard two ladies talking in the next room to me, and one of them said, “Well, we have a weakness for any one thing, it is for a mint-julep — ” a very amiable weakness, and proving her good sense and good taste. They are, in fact, like the American ladies, irresistible. |
Die Virginier schreiben sich die Ehre zu, dieses herrliche Gemisch erfunden zu haben; ich aber muß sie für England in Anspruch |78| nehmen, obgleich die Sache bei uns in Vergessenheit gekommen ist. Jedenfalls muß sie in den Zeiten Karl des Ersten und Zweiten bekannt gewesen seyn, denn [John] Milton bezieht sich ausdrücklich auf sie in seinem Comus: | The Virginians claim the merit of having invented this superb compound, but I must dispute it for my own country, although it has been forgotten of late. In the times of Charles the First and Second it must have been known, for Milton expressly refers to it in his Comus:— |
»Sieh diese stärkende Julepe hier, Wie in krystallner Schrank‘ sie tanzt und funkelt, Gemischt aus Balsamgeist und würz’gem Syrup. Nicht der Nepenthes, welchen in Egypten Das Weib von Thone gab der Helena, Zeus‘ Tochter, könnte so das Herz erfreuen, Wie dieser hier, und kühlen so den Durst.« | “Behold the cordial julep here Which flames and dances in its crystal bounds With spirits of balm and fragrant syrups mixed. Not that Nepenthes, which the wife of Thone In Egypt gave to Jove-born Helena Is of such power to stir up joy like this, To life so friendly, or so cool to thirst.” |
Wenn dies nicht auf die Minzjuleppe gemünzt ist, so verstehe ich wahrhaftig nichts von der englischen Sprache. | If that don’t mean mint-julep, I don’t know the English language. |
Folgende Zeilen, welche ich in einer amerikanischen Zeitung fand, verlegen jedoch ihren Ursprung noch viel weiter bis in eine Periode zurück, in welcher die heidnischen Götter noch nicht so abgeschätzt waren, wie heutzutage. | The following lines, however, which I found in an American newspaper, dates its origin very far back, even to the period when the heathen gods were not at a discount as they are now. |
Entstehung der Minzjuleppe. Die Sage lehrt und wer möcht‘ wohl bestreiten, Was eine alte Heidensage spricht? Daß beim Olymp’schen Göttermal vor Zeiten Einst Bacchus träg‘ versäumte seine Pflicht. Das letzte Nektarfaß lief auf der Neige, Drum sprach die Zecherschaar die Schönen an, Ein Tranklein zu bereiten, wie im Reiche Des Trinkens kein’s noch war, seit es begann. Die ernste Geres spendete die Aehren, In deren Körnlein wohnt ein Feuergeist; Zuerst muß in der Morgenthau gebären, Der tropfenweis‘ ihn in die Schale geußt. Pomonas auserles‘ne Früchte rollen Den Tisch hinab, entwischt des Körbchens Haft; Wohlan auch ihr sollt euern Beitrag zollen – Gib her, o Pfirsich, deinen milden Saft! |79| Wie das Gemisch zusammenrinnt, so gießen Der Venus holde Zauberblicke drein Den Honig Hybla’s, ewig zu versüßen Die Schale, die sie dem Getränke weih’n. Dann holt mit Rosenfingern aus der Schürze Miß Flora, triefend noch vom Bache frisch Das Kräutlein, welches erst die rechte Würze, Den wahren Wohlgeschmack gibt dem Gemisch. ‚Der Trank, ist köstlich!‘ riefen alle Götter, ‚Doch Schade, etwas fehlt!‘ Da langte Zeus Hinunter in ein dichtes Hagelwetter, Vollendend so den Göttertrank mit Eis. | Origin of Mint-Julep. ’Tis said that the gods, on Olympus of old, (And who, the bright legend profanes, with a doubt,) One night, ’mid their revels, by Bacchus were told That his last butt of nectar had somewhat run out! But determined to send round the goblet once more, They sued to the fairer immortals—for aid In composing a draught which, till drinking were o’er, Should cast every wine ever drank in the shade. Grave Cerce herself blithely yielded her corn, And the spirit that lives in each amber-hued grain, And which first had its birth from the dews of the morn, Was taught to steal out in bright dew drops again. Pomona, whose choicest of fruits on the board, Were scattered profusely in every one’s reach, When called on a tribute to cull from the board, Expressed the mild juice of the delicate peach. The liquids were mingled while Venus looked on With glances so fraught with sweet-magical power, That the honey of Ilybla, e’en when they were gone, Has never been missed in the draught from that hour. Flora, then, from her bosom of fragrance shook, And with roseate fingers pressed down in the bowl, As dripping and fresh as it came from the brook, The herb whose aroma should flavour the whole. The draught was delicious, each god did exclaim, Though something yet wanting they all did bewail, But Julep the drink of immortals became, When Jove himself added a handful of hail. |
Ich habe bereits die Hauptursachen berührt, warum der Hang zum Trinken in Amerika so allgemein ist. Die Thatsache selbst läßt sich keineswegs in Abrede ziehen, da sie von jedem andern Schriftsteller und sogar von der amerikanischen Presse anerkannt, namentlich aber durch die Bemühungen der Mäßigkeitsgesellschaften belegt wird. Sie beschränkt sich übrigens nicht blos auf die niedern Klassen, sondern durchdringt die ganze Masse. Natürlich äußert sie sich unter den gebildeten Ständen nicht gerade in Betrunkenheit; aber in den südlichen und westlichen Staaten gehört scharfes Trinken zum Tagesbrauch. | I have mentioned the principal causes to which must be assigned the propensity to drink, so universal in America. This is an undeniable fact, asserted by every other writer, acknowledged by the Americans themselves in print, and proved by the labours of their Temperance Societies. It is not confined to the lower classes, but pervades the whole mass: of course, where there is most refinement, there is less intoxication, and in the Southern and Western States, it is that the custom of drinking is most prevalent. |
Ich habe früher bemerkt, daß sich in den amerikanischen Gasthäusern Zimmer befinden, nach denen sich die Damen zurückziehen. Für die Herren ist keine derartige Bequemlichkeit vorhanden; sie haben nur das Lesezimmer, wo sie stehend die auf den Pulten aufgelegten Zeitungen lesen, oder die Schenkstube. | I have said that in the American hotels there is a parlour for the ladies to retire to: there is not one for the gentlemen, who have only the reading-room, where they stand and read the papers, which are laid out on desks, or the bar. |
Die Schenkstube eines amerikanischen Hotels ist in der Regel ein sehr großes Gemach im Erdgeschoß und ziemlich wie unsere Branntweinpaläste in London ausgestattet – allerdings nicht so elegant, aber doch nach demselben Systeme dekorirt. Ein langer Tisch läuft in der Quere, hinter welchem zwei oder drei Kellner die Kunden bedienen und die verschiedenen Getränke verabreichen, |80| die aus dem Inhalt mehrerer Flaschenreihen hinter ihnen gemischt werben. Das Auge ruht auf Massen krystallreinen Eises, großen Büscheln von Minzensprossen, Flaschen mit den verschiedenartigsten Weinen, verschiedenen Likören, Citronen, Zucker, bitteren Stoffen, Cigarren und Tabak; man kann schon durstig werden, wenn man nur in eine Schenkstube hineingeht. Da trifft man alles Mögliche zusammen – den Senator, das Congreßmitglied, den Kaufmann den Krämer und Wanderer aus allen Theilen des Landes, welche gekommen sind, um Waaren einzukaufen. | The bar of an American hotel is generally a very large room on the basement, fitted up very much like our gin palaces in London, not so elegant in its decorations indeed, but on the same system. A long counter runs across it, behind which stand two or three bar-keepers to wait upon the customers, and distribute the various potations, compounded from the contents of several rows of bottles behind them. Here the eye reposes on masses of pure crystal ice, large bunches of mint, decanters of every sort of wine, every variety of spirits, lemons, sugar, bitters, cigars and tobacco; it really makes one feel thirsty, even the going into a bar. (See Note 3.) Here you meet every body and every body meets you. Here the senator, the member of Congress, the merchant, the store-keeper, travellers from the Far West, and every other part of the country, who have come to purchase goods, all congregate. |
Die Meisten haben Cigarren im Munde und verhandeln so ihre Geschäfte, unterhalten sich laut mit einander, oder setzen sich in vertraulichem Flüstern nieder. Hier erfährt man alle Neuigkeiten – die Chronique scandaleuse, die politischen Tagesbegebenheiten, die vorgefallenen Spässe, und eben diese gefährliche Nähe ist es, welche zu so viel Unmäßigkeit Anlaß gibt. Mr. Head, der Inhaber von Mansion-House in Philadelphia, hält keine Gastsstube, weshalb daselbst nur über Tisch Wein getrunken wird; aber in allen übrigen Gasthäusern scheint es absichtlich darauf angelegt zu seyn, daß die K[u]nden nirgends ein Unterkommen finden können, als in der Schenkstube, welche entschieden das meiste Geld einbringt. Als Folge des Umstandes, daß die Schenkstube der allgemeine Sammelplatz ist, wird unablässig eingeschenkt und vom Morgen bis in die späte Nacht Alcohol mit anderen Bestandtheilen gemischt. Mit einem Freunde trinkt man um der guten Kameradschaft willen, mit einem Fremden aus Höflichkeit und zum Beweise, daß man besser mit ihm bekannt zu werden wünscht.*) [*) Jedes Dampfboot hat seine Schenkstube; ja auch die Theater, alle öffentlichen Belustigungsplätze und sogar das Kapitol selbst, wie ich in meinem Tagebuch bemerkt habe, erfreuen sich dieser Bequemlichkeit.] | Most of them have a cigar in their mouth, some are transacting business, others conversing, some sitting down together whispering confidentially. Here you obtain all the news, all the scandal, all the politics, and all the fun; it is this dangerous propinquity, which occasions so much intemperance. Mr Head has no bar at the Mansion-house in Philadelphia, and the consequence is, that there is no drinking, except wine at dinner; but in all the other hotels, it would appear as if they purposely allowed the frequenters no room to retire to, so that they must be driven to the bar, which is by far the most profitable part of the concern. The consequence of the bar being the place of general resort, is, that there is an unceasing pouring out, and amalgamation of alcohol, and other compounds, from morning to late at night. To drink with a friend when you meet him is good fellowship, to drink with a stranger is politeness, and a proof of wishing to be better acquainted. [Note 3. Every steam-boat has its bar. The theatres, all places of public amusement, and even the capitol itself; as I have observed in my Diary.] |
Mr. A. steht an dem Schenktische, wie B. eben eintritt. »Mein lieber B., wie geht’s Euch?« — »Ganz gut; und Euch?« — |81| »Nun, was trinken wir mit einander?« — »Ist mir gleichgültig – Ginsling meinetwegen.« — »Zwei Gläser Ginsling, Kellner.« Sie stoßen an und trinken. Mr. A. hat kaum seinen Ginsling hinuntergegossen und seine Cigarre wieder in den Mund gesteckt, als Mr. D. hereinkömmt. A. »Wie geht’s Euch?« — D. »Ah! Wie lebt Ihr?« — A. »Gut – danke schön, was wollen wir haben?« — D. »Na, ich denke Branntwein-Cocktail.« — A. »Also her damit.« Beide trinken und der Schilling wird auf den Zahltisch geworfen. Dann kommt B. wieder heran. B. »A., Ihr müßt mir erlauben, Euch meinen Freund C. vorzustellen.« — C. »Mr. A.« — Es folgt nun ein Händedrücken — »schätze mich höchst glücklich, Eure Bekanntschaft zu machen.« — A. »Ich hoffe die Ehre zu haben, etwas mit Euch zu trinken.« — C. »Mit größtem Vergnügen, Mr. A. Was meint Ihr zu einer Juleppe? Zwei Juleppen, Kellner.« — A. »Mr. C., Eure Gesundheit.« — C. »Mr. A., auch die Eurige. Wenn Ihr in meine Gegend kommen solltet, werde ich mich glücklich schätzen, Euch wieder zu sehen.« Sie trinken. | Mr A is standing at the bar, enter B. “My dear B, how are you?”—“Quite well, and you?”—“Well, what shall it be?”—“Well, I don’t care—a gin sling.”—“Two gin slings, Bar-keeper.” Touch glasses, and drink. Mr A has hardly swallowed his gin sling, and replaced his cigar, when, in comes Mr D. “A, how are you?”—“Ah! D, how goes it on with you?”—“Well, I thankey—what shall we have?”—“Well, I don’t care; I say brandy cocktail.”—“Give me another,” both drink, and the shilling is thrown down on the counter. Then B comes up again. “A, you must allow me to introduce my friend C.”—“Mr A”—shake hands—“Most happy to make the acquaintance. I trust I shall have the pleasure of drinking—something with you?”—“With great pleasure, Mr A, I will take a julep.”—“Two juleps, Bar-keeper.”—“Mr C, your good health”—“Mr A, yours; if you should come our way, most happy to see you,”—drink. |
Ich will nun die Amerikaner selbst fragen, ob dies nicht ein treues Pröbchen aus einer ihrer Schenkstuben ist. | Now, I will appeal to the Americans themselves, if this is not a fair sample of a bar-room. |
Es heißt, die Engländer können nichts gehörig bereinigen ohne ein Diner, aber ich bin überzeugt, daß die Amerikaner nichts zu thun (to fix) im Stande sind, ohne zu trinken. Man trinkt bei einer |82| Begegnung – man trinkt zum Abschied man – trinkt, um eine Bekanntschaft zu machen – man trinkt beim Abschließen eines Handels – man trinkt bei Streitigkeiten und macht sie bei einem Trunke aus. Sie trinken, weil es heiß ist, und trinken, weil’s kalt ist. Wurde eine Wahl glücklich durchgeführt, so trinken sie in der Freude ihres Herzens, und gelang sie nicht, so trinken sie und fluchen. Das Trinken beginnt mit dem frühen Morgen und hört spät in der Nacht auf. Sie fangen früh im Leben damit an und sehen es fort, bis sie in’s Grab sinken. Um mich ihres eigenen Ausdrucks zu bedienen, so ist die Art, wie sie trinken, eigentlich eine Vorsichtsmaßregel.*) Was das Wasser betrifft, so scheint man der allgemeinen Meinung zu seyn, es sey »sehr gut für die Schifffahrt,« wie der Mann sagte, als man ihn aufforderte, in eine Mäßigkeitsgesellschaft einzutreten. [*) Es war keine üble Idee von einem in der Regel sehr niedergeschlagenen Manne, daß er, als er um den Grund befragt wurde, zur Antwort gab, er wisse es selbst nicht, glaube aber daß er mit drei Schlücken zu wenig auf die Welt gekommen sey.] | They say that the English cannot settle any thing properly, without a dinner. I am sure the Americans can fix nothing, without a drink. If you meet, you drink; if you part, you drink; if you make acquaintance, you drink; if you close a bargain you drink; they quarrel in their drink, and they make it up with a drink. They drink, because it is hot; they drink because it is cold. If successful in elections, they drink and rejoice; if not, they drink and swear; they begin to drink early in the morning, they leave off late at night; they commence it early in life, and they continue it, until they soon drop into the grave. To use their own expression, the way they drink, is “quite a caution” (See Note 4.) As for water, what the man said, when asked to belong to the Temperance Society, appears to be the general opinion, “it’s very good for navigation.” [Note 4. It was not a bad idea of a man who, generally speaking, was very low-spirited, on being asked the cause, replied, that he did not know, but he thought “that he had been born with three drinks too little in him.”] |
Als Kitt aller Freundschaft und für den Beginn einer Bekanntschaft ist das Trinken so zur Gewohnheit geworden, daß ein Ausländer, wie die Amerikaner uns Briten zu nennen pflegen, gewaltigen Anstoß erregen würde, wenn er sich mitzumachen weigerte. Die Amerikaner werden mir wenigstens die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß ich stets bereit war, mich in diesem Punkte nach Kräften ihnen anzubequemen, obschon ich hin und wieder weit mehr trinken mußte, als mir lieb war. Dennoch erregte ich, namentlich in dem Westen, oft gewaltigen Anstoß, weil ich nicht früh Morgens oder vor dem Mittagessen trinken wollte – ein gewöhnlicher Brauch in den Staaten, obschon er besonders im Süden und Westen herrscht, wo es buchstäblich heißt: »Fremder, willst Du trinken ober boxen?« Diese Weigerung von meiner Seite, oder vielmehr die Entschuldigung, noch nicht trinken zu können, zog mir viel |83| Groll von Seite derjenigen zu, mit denen ich bekannt gemacht wurde – gewiß aber sehr mit Unrecht, da ich jeden Vormittag wenigstens zwanzig neue Personen kennen lernte. Hätte ich mit allen trinken wollen, so wäre ich wahrscheinlich in denselben Zustand gekommen, in welchem sich viele von ihnen befanden – das heißt, ich wäre drei oder vier Wochen an einander nicht mehr nüchtern geworden. | So much has it become the habit to cement all friendship, and commence acquaintance by drinking, that it is a cause of serious offence to refuse, especially in a foreigner, as the Americans like to call the English. I was always willing to accommodate the Americans in this particular, as far as I could; (there at least, they will do me justice;) that at times I drank much more than I wished is certain, yet still I gave most serious offence, especially in the West, because I would not drink early in the morning, or before dinner, which is a general custom in the States, although much more prevalent in the South and West, where it is literally, “Stranger, will you drink or fight?” This refusal on my part, or rather excusing myself from drinking with all those who were introduced to me, was eventually the occasion of much disturbance and of great animosity towards me—certainly, most unreasonably, as I was introduced to at least twenty every forenoon; and had I drunk with them all, I should have been in the same state as many of them were—that is, not really sober for three or four weeks at a time. |
Daß die Gesundheit der Amerikaner unter dieser Gewohnheit nothleiden muß, ist gewiß; indes können sie’s doch viel besser ertragen, als es bei uns der Fall seyn würde. Es geht das Sprüchwort, man wisse stets, wo ein Virginier begraben liege, denn in Folge der vielen Jeluppe [sic], welche er getrunken, schieße unvermeidlich Minze über seinen Gebeinen auf. Aber die Virginier sind keineswegs die schärfsten Trinker. Ich sah mich eines Tages nach einem Amerikaner um und fragte einen seiner Freunde, wo ich ihn wohl finden dürfte. »Ei,« versetzte er, auf ein gegenüberliegendes Gasthaus deutend, »dies ist sein Leckplätzchen (Licking place, ein Ausdruck, der von den Hirschen geborgt ist, welche gerne Salz lecken); wir wollen sehen, ob er da ist.« Wir fanden ihn nicht, und der Kellner sagte uns, er sey vor zehn Minuten fortgegangen. »Na,« versetzte mein Begleiter, »so bleibt immerhin hier, denn er wird in weiteren zehn Minuten, wo nicht früher, zuverlässig wieder eintreffen.« Der Amerikaner hatte seinen Freund richtig beurtheilt. In zehn Minuten war er wieder da, und wir thaten natürlich einen Trunk mit einander. | That the constitutions of the Americans must suffer from this habit is certain; they do not, however, appear to suffer so much as we should. They say that you may always know the grave of a Virginian; as from the quantity of juleps he has drunk, mint invariably springs up where he has been buried. But the Virginians are not the greatest drinkers, by any means. I was once looking for an American, and asked a friend of his, where I should find him. “Why,” replied he, pointing to an hotel opposite, “that is his licking place, (a term borrowed from deer resorting to lick the salt:) we will see if he is there.” He was not; the bar-keeper said he had left about ten minutes. “Well, then, you had better remain here, he is certain to be back in ten more—if not sooner.” The American judged his friend rightly; in five minutes he was back again, and we had a drink together, of course. |
Man erzählte mir, das irgendwo in Missouri oder dort herum, jedenfalls im Westen des Mississippi, alle Schenkstuben einen sogenannten Stoßtisch (kicking-board) haben, weil es unter den dortigen Ansiedlern Brauch sey, statt des Anstoßens der Gläser mit der Seite des Fußes stark gegen den Tisch zu stoßen. Nach dieser Ceremonie sind sie geschworene Freunde. Ich bin nicht selbst Zeuge dieser Thatsache gewesen, habe sie aber von mehr als einer Person bestätigten |84| hören, so daß ich keinen Anstand nehme, ihr Glauben beizumessen. Woher dieser Brauch kommen mag, kann ich mir nicht denken, wenn er nicht etwa andeuten soll: »ich bin der Deinige bis zum letzten Fußstoß.«*) [*) In einem späteren Kapitel habe ich gesagt, daß der physische Bau der amerikanischen Frauen dem der Männer überlegen sey. Dies mag als ein Widerspruch erscheinen, da dies natürlich nicht von Geburt aus der Fall seyn kann, und ich habe auch oft bemerkt, daß die amerikanischen Knaben, namentlich im Alter zwischen vierzehn und sechzehn sehr schön sind. Man würde es kaum für möglich halten, daß die Männer in ihrer Jugend so ausgesehen haben konnten. Wie ist nun dies zu erklären? Ich kann mir keinen andern Grund denken, als daß die Jünglinge sich zu früh als Männer in’s Leben werfen, sich der elterlichen Leitung entziehen und in einem zu zarten Alter die in allen Ländern üblichen Ausschweifungen junger Menschen beginnen. Eine weitere sehr beachtenswerthe Ursache muß natürlich in dem beharrlichen Reize zum Trinken liegen: nicht daß sich die Amerikaner oft betränken, denn man sieht in England jeden Tag weit mehr Berauschte, als in Amerika. Aber eine gelegentliche Trunkenheit wirkt nicht so nachtheilig auf die Constitution, als ein fortwährender Gebrauch des Branntweins, der den Magen schwächt und unter Beistand des Tabackes dessen Thätigkeit bedeutend stört. Die Amerikaner sind eine trinkende, keine betrunkene Nation, und ich habe schon früher bemerkt, daß das Clima dabei viele Schuld trägt.] | I did not see it myself, but I was told that somewhere in Missouri, or thereabouts, west of the Mississippi, all the bars have what they term a kicking-board, it being the custom with the people who live there, instead of touching glasses when they drink together, to kick sharply with the side of the foot against the board, and that after this ceremony you are sworn friends. I have had it mentioned to me by more than one person, therefore I presume it is the case. What the origin of it is I know not, unless it intends to imply, “I’m your’s to the last kick.” [Note 5. In a chapter which follows this, I have said that the women of America are physically superior to the men. This may appear contradictory, as of course they could not be born so; nor are they, for I have often remarked how very fine the American male children are, especially those lads who have grown up to the age of fourteen or sixteen. One could hardly believe it possible that the men are the same youths, advanced in life. How is this to be accounted for? I can only suppose that it is from their plunging too early into life as men, having thrown off parental control, and commencing the usual excesses of young men in every country at too tender an age. The constant stimulus of drink must, of course, be another powerful cause; not that the Americans often become intoxicated, on the contrary, you will see many more in this condition every day in this country than you will in America. But occasional intoxication is not so injurious to the constitution as that continual application of spirits, which must enfeeble the stomach, and, with the assistance of tobacco, destroy its energies. The Americans are a drinking but not a drunken, nation, and, as I have before observed, the climate operates upon them very powerfully.] |
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Frederick Marryat, Tagebuch in Amerika 2, 1845, Kap. 9 Die Gesellschaft – die Frauen
🇩🇪 Frederick Marryat, Kapitän Marryat’s sämmtliche Werke 22: Tagebuch in Amerika, mit Bemerkungen über die Institutionen der Vereinigten Staaten 2, Übers. C. Kolb, Stuttgart: Adolph Krabbe 1845, https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10929241 (08.04.2024).
🇬🇧 Frederick Marryat, Diary in America, Series Two, 1839, https://www.gutenberg.org/ebooks/23138 (08.04.2024).
Kapitel 9 Die Gesellschaft – die Frauen, S. 195 f. | Vol. 2, Ch. 1 Society—Women. |
Werfen wir nun unsre Blicke auf das eheliche Leben in den Vereinigten Staaten. In Amerika sind alle Männer Geschäftsleute, und ihre ganze Zeit ist durch die wichtige Aufgabe des Geldzusanmenscharrens in Anspruch genommen. Sie nehmen früh ihr Frühstück ein und begeben sich dann nach ihren Stores oder Comptoiren. Die Mehrzahl derselben kommt nicht zum Mittagessen nach Hause, sondern speist in der nächsten Schenke oder in einem Austernkeller; denn sie wohnen in der Regel zu ferne von ihrem Geschäftslokal, und Zeit ist zu kostbar, um sie durch vieles Gehen zu vergeuden. Man glaubt vielleicht, daß sie früh zum Thee nach Haus kommen; dies ist zwar bei Manchen der Fall, aber nicht bei der Mehrzahl. Wenn sie sich den ganzen Tag abgemüht haben, brauchen sie Erholung und suchen dieselbe meist in der Politik und in den Zeitungen. Vielleicht läßt sich nebenher ein kleines weiteres Geschäft machen – und dazu findet sich, außer dem Trunke, Gelegenheit in den Schenkstuben derjenigen Hotels, wo sich die Geschäftsmänner der Stadt versammeln. Die Folge davon ist, daß die Meisten spät nach Hause kommen; sie sind jetzt müde, gehen zu Bette und stehen am Morgen früh wieder auf, um an ihr Geschäft zu kommen. Man ersieht daraus, daß die Frauen von der Gesellschaft ihrer Männer nicht viel genießen können. Auch glaube ich nicht, daß der Grund hiezu in einer Lieblosigkeit der Eheherren liegt; denn es ist unbedingt nöthig, daß sie so emsig arbeiten, als Andere, wenn sie aufkommen wollen, und was der Eine thut, muß der Andere thun. Sogar der Besuch der Schenkstuben wird fast zur Nothwendigteit, da sie dort alle Neuigkeiten des Tages erfahren. Die Folge davon ist übrigens, daß die verheiratheten Frauen allein bleiben; denn die Männer können ihnen nicht Gesellschaft leisten, und selbst wenn das |196| Gegentheil der Fall wäre, passte doch die Mehrzahl derselben nicht dazu, aus folgenden Gründen. Ein Amerikaner tritt so früh in’s öffentliche Leben ein, daß seine Schulkenntnisse mit Ausnahme derer, welche er für sein Geschäft braucht, bald verloren gehen. Er hat keine Zeit, etwas Anderes zu lesen als die Zeitung; alle seine Gedanken und Ideen concentriren sich in seinem Geschäfte, in welchem er zwar vollkommen wird, indem er sich sehr viele praktische Kenntnisse erwirbt – aber sie taugen fast für nichts Anderes, als für’s Geldmachen. Auch kann er nicht anders, wenn er fortkommen will, und der größere Theil beschränkt sich daher ausschließlich auf eine derartige Ausbildung. | Let us enter into an examination of the married life in the United States. All the men in America are busy; their whole time is engrossed by their accumulation of money; they breakfast early and repair to their stores or counting-houses; the majority of them do not go home to dinner, but eat at the nearest tavern or oyster-cellar, for they generally live at a considerable distance from the business part of the town, and time is too precious to be thrown away. It would be supposed that they would be home to an early tea; many are, but the majority are not. After fagging, they require recreation, and the recreations of most Americans are politics and news, besides the chance of doing a little more business, all of which, with drink, are to be obtained at the bars of the principal commercial hotels in the city. The consequence is, that the major portion of them come home late, tired, and go to bed; early the next morning they are off to their business again. Here it is evident that the women do not have much of their husband’s society; nor do I consider this arising from any want of inclination on the part of the husbands, as there is an absolute necessity that they should work as hard as others if they wish to do well, and what one does, the other must do. Even frequenting the bar is almost a necessity, for it is there that they obtain all the information of the day. But the result is that the married women are left alone; their husbands are not their companions, and if they could be, still the majority of the husbands would not be suitable companions for the following reasons. An American starts into life at so early an age that what he has gained at school, with the exception of that portion brought into use from his business, is lost. He has no time for reading, except the newspaper; all his thoughts and ideas are centred in his employment; he becomes perfect in that, acquires a great deal of practical knowledge useful for making money, but for little else. This he must do if he would succeed, and the major portion confine themselves to such knowledge alone. |
Stand: 19.04.2024