Q: M. Prinz zu Wied, Reise in das innere Nord-America 1839

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Einführung

Maximilian Prinz zu Wied-Neuwied (1782-1867) war ein Forschungsreisender, dessen Interesse vor allem völkerkundlich, zoologisch und botanisch ausgerichtet war. Seiner adligen Herkunft entsprechend diente er als junger Offizier in der preußischen Armee und machte sich 1806 und 1813 in den Kriegen gegen Napoleon verdient. In den Jahren dazwischen widmete er sich Studien der Naturkunde und der Archäologie und stand in Kontakt mit Alexander von Humboldt (1769-1859). Er studierte u.a. bei dem Anthropologen Johann Friedrich Blumenbach (1752-1840), der mit seiner Forschung die enge biologische Verwandtschaft und die intellektuelle Gleichwertigkeit aller Menschen aufzeigte. 1808 hatte Wied bereits eine Expedition in die Schweiz unternommen. 1815 begann er eine zweijährige Forschungsreise durch Brasilien (was Humboldt verwehrt geblieben war), auf der er Fauna und Flora studierte, aber auch die Gesellschaft und Kultur verschiedener Stämme der indigenen Bevölkerung.

1832 brach er zu einer zweijährigen Expedition nach Nordamerika auf, um indigene Stämme im Mittleren Westen zu treffen und zu studieren. Präsident Jackson hatte zwei Jahre zuvor mit dem Indian Removal Act die Vertreibung der Indigenen aus den Bundesstaaten westlich des Mississippi River in Gesetzesform gegossen. Dennoch hatten sich die USA noch nicht weiter westlich als bis zum Missouri River ausgebreitet, so dass der deutsche Prinz als Zeitzeuge der letzten freien Indianer gilt. Er begegnete ihnen mit Respekt und Interesse, um ihre Kultur möglichst authentisch zu dokumentieren. Nach seiner Rückkehr veröffentlichte er seine Erfahrungen in dem zweibändigen Werk Reise in das innere Nord-America, das mit den detailverliebten Zeichnungen seines Begleitetes Karl Bodmer ausgestattet war.

Das 1839-1841 in Göttingen erschienene Werk, das auch ins Französische und Englische übersetzt wurde, erreichte jedoch nur ein sehr begrenztes Publikum, da die aufwändig gedruckten Bände ob des hohen Preises nur wenige Abnehmer fanden. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde Wied von der historischen Forschung entdeckt, gerade auch von Native Americans als wichtige Quelle ihrer eigene Geschichte.

Der hier zitierte Auszug entstammt der Schilderung von der Ankunft Wieds mit dem Schiff in Boston im Juni 1832.

Introduction

Maximilian Prinz zu Wied-Neuwied (1782-1867) was an explorer whose interests centred primarily on ethnology, zoology and botany. In keeping with his noble origins, he served as a young officer in the Prussian army and distinguished himself in the wars against Napoleon in 1806 and 1813. In the years bewtween, he devoted himself to studies in natural history and archaeology and was in contact with Alexander von Humboldt (1769-1859). Among others, he studied under the anthropologist Johann Friedrich Blumenbach (1752-1840), whose research demonstrated the close biological relationship and intellectual equality of all human beings. Wied had already undertaken an expedition to Switzerland in 1808. In 1815, he began a two-year research trip through Brazil (which Humboldt had been denied), during which he studied the fauna and flora, as well as the society and culture of various tribes of the indigenous population.

In 1832, he set off on a two-year expedition to North America to meet and study indigenous tribes in the Midwest. Two years earlier, President Jackson had passed the Indian Removal Act, which formalised the expulsion of indigenous people from the states west of the Mississippi River. Nevertheless, the USA had not yet spread further west than the Missouri River, so that the German prince is considered a contemporary witness to the last free Indians. He met them with respect and interest in order to document their culture as authentically as possible. After his return, he published his experiences in the two-volume work Reise in das innere Nord-America (Travels in the Interior of North America), which was illustrated with detailed drawings by his companion Karl Bodmer.

The work, which was published in Göttingen in 1839-1841 and was also translated into French and English, only reached a very limited audience, however, as the lavishly printed volumes found few buyers due to their high price. It was only in the second half of the 20th century that Wied was discovered by historical researchers, especially by Native Americans, as an important source for their own history.

The excerpt quoted here is from the account of Wied’s arrival by ship in Boston in June 1832.


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Maximilian Prinz zu Wied, Reise in das innere Nord-America in den Jahren 1832 bis 1834, 1839

🇩🇪 Maximilian Prinz zu Wied, Reise in das innere Nord-America in den Jahren 1832 bis 1834, Bd. 1, Koblenz: J. Hoelscher 1839, https://mdz-nbn-resolving.de/details:bsb10860852 (02.07.2024).

🇬🇧 Early Western Travels 1748-1846, ed. Reuben Gold Thwaites, Volume XXII: Part I of Maximilian, Prince of Wied’s, Travels in the Interior of North America, 1832-1834, Cleveland, Ohio: The Arthur H. Clark Company 1906, reprint of chapters i-xv of Maximilian, Prince of Wied’s Travels in the Interior of North America, transl. H. Evans Lloyd, London: Achermann & Comp. 1843, https://www.gutenberg.org/ebooks/38784 (02.07.2024).

Bd. 1, Cap. I. Seereise nach Boston, Aufenthalt daselbst und Reise nach New-York von dem 17. Mai bis 2. Juli 1832, S. 11.Chapter I. Voyage to Boston, Stay in that City, and Journey to New York, from May 17th to July 9th, 1832, p. 44 s.
Eleganz in Kleidern ist in Nord-America weit mehr zu Hause, als in Europa, allein dies ist auch alles, was dem Gentleman in America wichtig ist, sobald er seine Kaufmannsgeschäfte vollbracht, die Zeitung gelesen und seinem Antheile an der Regierung des Staates Genüge geleistet hat. Sehr oft sind mir die Haufen der müssigen Gentlemen in und vor den americanischen Gasthöfen aufgefallen, die durchaus unthätig ihren Tag hinbringen, und diese eleganten Nichtsthuer machen wirklich einen Haupt-Characterzug jener Gasthöfe aus. Diese letztern haben noch eine, schon von mehren Reisenden erwähnte Einrichtung, die bei uns nicht vorkommt; ich rede von dem Bar-Room, in welchem ein besonders dazu angestellter Mann hinter den Schranken alle Arten von Getränken verkauft, mischt und brauet, wobei immer eine grosse Menge von Eis und von Balm (frischen Pfeffermünzblättern) benutzt wird. Man bereitet hier sehr angenehme kühlende Getränke, wozu das heisse Clima Anleitung gegeben hat. Am Abend wird der Europäer in Erstaunen gesetzt, wenn man ihn anweist, unten in dem Bar-Room seine Fussbekleidung vor vielen Menschen auszuziehen, und gegen Pantoffeln (Slippers) zu vertauschen, welche in grossen Haufen daselbst aufgeschüttet sind. Die Bedienung ist im Allgemeinen ziemlich schlecht. Weisse Bediente giebt es beinahe gar nicht, oder sie sind doch beinahe unbrauchbar; dagegen müssen die Schwarzen alle diese Geschäfte übernehmen, die obgleich freie Leute, dennoch von dem den Menschenwerth so hoch achtenden Americaner immer noch verachtet werden, und wie die Parias in Indien, eine ausgestossene Kaste bilden.Elegance of dress is far more common in America than in Europe; but then this is all that the gentleman in America cares about, when he has finished his mercantile business, read the newspaper, and performed his part in the government of the State. I have often been surprised at the crowd of idle gentlemen before and in the American inns, who spend the whole day in total inactivity; and these elegant loiterers are, in fact, a characteristic feature of these inns. Here, too, there is a peculiar arrangement, which many travellers have noticed, and which we do not meet with in ours — I mean the bar-room, where a man stationed behind the bar, mixes compounds, and sells all sorts of beverages, in which a quantity of ice and of freshly gathered peppermint leaves are employed. Very agreeable cooling liquors are here prepared, which the heat of the climate calls for. In the evening the European is surprised at being desired to pull off his shoes before a number of people in the bar-room, and to exchange them for slippers, which are piled up in large heaps. The attendance is, in general, indifferent. There are scarcely any white servants, or, at least, they are almost useless; all menial offices must be performed by blacks, who, though free people, are still held in contempt by the Americans, who so highly estimate the dignity of man, and form a rejected caste, like the Parias in India.

Stand: 02.07.2024

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